Die bayerischen Studierendenvertretungen setzen sich mit viel Engagement für ihre Studierenden vor Ort ein. Auch gesetzlich sind sie unter anderem für deren wirtschaftlichen und sozialen Belange zuständig. Neben der Gremienvertretung sind die Studierendenvertretungen an ihren Hochschulen daher auch verantwortlich für die Organisation diverser Veranstaltungen, Orientierungsangebote und Gestaltungsräume für die Studierenden.
Die aktuelle Finanzierungssituation legt den Studierendenvertretungen dabei jedoch immer wieder Steine in den Weg.
Aktuelle Probleme
Zunächst leiden die Studierendenvertretungen unter den nur sehr begrenzt zugewiesenen Mitteln durch den bayerischen Landtag, die zwar an die Anzahl der Studierenden vor Ort, nicht aber an die Inflation angepasst werden. Dadurch können die Studierendenvertretungen einen Teil ihrer Aufgaben nicht umsetzen. So sucht man vergebens eine unabhängige BAföG-Beratung an bayerischen Hochschulen.
Vor allem ist es für viele Studierendenvertretungen jedoch schwer, die Gelder tatsächlich abzurufen. Die aktuellen Abrechnungsregularien werden an den verschiedenen Hochschulen stark unterschiedlich gehandhabt und interpretiert, obwohl die Studierendenvertretungen alle den gleichen Richtlinien unterliegen sollten. Dazu zählen Probleme bei Abrechnungen von Dienstreisen, Bewirtungen, Veranstaltungen für die Studierenden, Aufwendungen für weitere Projekte oder Aufwandsentschädigungen. Oft zahlen motivierte Studierendenvertreter*innen die nicht abrechenbaren Posten dann aus eigener Tasche.
Solche Einschränkungen werden allerdings erst durch einen landes- und bundesweiten Austausch der Studierendenvertretungen untereinander offenbar und müssen ansonsten vor Ort als Faktum der jeweiligen Finanzabteilung akzeptiert werden. Selbst mit den Vergleichswerten aus anderen Hochschulen kommt es teilweise weiterhin zu Problemen bei den Abrechnungen, wodurch jedes Mal wieder das Engagement der Studierendenvertretung vor Ort völlig unnötigerweise gehemmt wird.
Daher fordern wir Finanzautonomie für die bayerischen Studierendenvertretungen. Sie sind als einzige durch die Studierenden demokratisch dafür legitimiert, über die ihnen zustehenden Mittel zu verfügen, und dürfen dabei nicht bevormundet werden. Studierende sitzen sonst in Auseinandersetzungen mit ihrer Finanzabteilung oft am kürzeren Hebel, da durch ihre nur einjährige Amtszeit die Wissensweitergabe auch in diesem Bereich gehemmt ist.
Auch die Möglichkeit von Studierendenvertreter*innen, für einzelne Veranstaltungen oder kostenintensive Projekte Kooperationen mit externen Partnern einzugehen, um weitere finanzielle Mittel zu akquirieren, ist beschnitten. Studierendenvertretungen können die dafür notwendigen Verträge nicht selbst abschließen und Hochschulen haben bei möglichen Kooperationspartnern andere Interessen im Fokus als Studierendenvertretungen.
Beide Probleme können behoben werden, wenn Studierendenvertretungen eine eigenständige Rechtsfähigkeit erhalten. Dadurch könnten sie selbständig Käufe tätigen und Verträge abschließen. Wartezeiten in der internen Verwaltung fallen weg und es besteht mehr Freiheit in der Mittelakquise. Es würde weiterhin den Vorteil bieten, dass Studierendenvertretungen die Interessen ihrer Studierenden auch nach außen hin besser vertreten können. Ein großer Punkt ist hier die Mobilität und das Semesterticket. Bereits jetzt sind Studierendenvertretungen an einigen Standorten in Bayern federführend an der Verhandlung zum Semestertickets beteiligt. So haben sich beispielsweise bei der Umsetzung des 9-€-Tickets in den Verkehrsverbünden die Studierendenvertretungen aus München, Nürnberg und Regensburg sehr aktiv an einer konstruktiven Lösungsfindung beteiligt und ihre Vorschläge und Expertise eingebracht. Nur den finalen Vertrag dürfen sie mangels eigener Rechtsfähigkeit nicht unterschreiben, das machen oft Studierendenwerke stellvertretend. Solange bayern- oder bundesweite Lösungen weiterhin auf sich warten lassen, muss die Gesetzgebung hier flexibler werden und den Studierendenvertretungen die Möglichkeit einräumen, die Verhandlung eines Semestertickets zu übernehmen.
Auch ihrer Aufgabe als Vertretung der Studierenden in wirtschaftlichen und sozialen Belangen können sie so besser nachgehen. Schließlich müssen derzeit die Studierenden gerade bei der Verhandlung der Semestertickets nicht mit einbezogen werden. Die Konditionen können über ihre Köpfe hinweg entschieden werden. Die Eigenständigkeit, die Studierendenvertretungen durch eine Rechtsfähigkeit erhalten würden, setzt sich in einem Wunsch nach Satzungshoheit fort. Sie wollen sich eine eigene Grundordnung, Finanzordnung, Wahlordnung und Geschäftsordnung selbst geben können. Die internen Gremien brauchen natürlich juristisch rechtssichere Satzungen. Aber wie sie sonst funktionieren, wie abgestimmt wird, ob sie öffentlich tagen etc. muss ihnen nicht durch eine Hochschulleitung vorgeschrieben werden.
Für beide Punkte gilt: die bayerischen Hochschulen bilden unsere neuen Generationen aus. Hier studieren die zukünftigen Entscheidungstragenden in Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft. Obwohl das Durchschnittsalter 23,5 Jahre beträgt, werden die Studierendenvertretungen konsequent als zu unerfahren und zu unwissend dargestellt. In ihrem Rahmen Entscheidungen zu treffen und diese auch auszuführen, sollte selbstverständlich sein. Stattdessen gibt es hohe bürokratische Hürden [1]. Das passt nicht zusammen und es stellt sich die Frage, warum einzig Bayern im Gegensatz zu anderen Bundesländern ihren Studierenden diese Mündigkeit nicht zutraut.
Mögliche Lösungsansätze
Alle anderen Bundesländer haben diese Probleme gelöst, indem sie ihren Studierendenvertretungen zusätzliche Rechte gegeben haben. Diese umfassen insbesondere auch das Recht, Finanzausgleiche durch verschiedene Einnahmemöglichkeiten zu schaffen, um den Mangel an staatlichen Mitteln zu kompensieren.
Die Studierendenschaft ist dort eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und als solche eine Teilkörperschaft der Hochschule. Ihr Aufgabenspektrum oder ihre Legitimation ändern sich dadurch nicht. Die Studierendenvertretung wird weiterhin von der Breite der Studierendenschaft getragen und bildet die Vielfalt der Studierenden einer Hochschule ab.
Wodurch sie sich allerdings vom bayerischen Modell abhebt, sind die Möglichkeiten, um ihr Aufgabenspektrum umzusetzen. Denn im Gegensatz zu Bayern wird ihnen dort das grundsätzliche Vertrauen entgegengebracht, vernünftig mit ihren Finanzen umzugehen. Statt einer langwierigen Überprüfung jeder einzelnen Ausgabe erfolgt eine nachträgliche Rechnungsprüfung wie bei anderen Einrichtungen auch. Dadurch können sinnvolle Projekte und Kooperationen deutlich schneller umgesetzt werden, weil Genehmigungen für Ausgaben nicht ewig in der Verwaltung der Hochschule festhängen. Ebenfalls entsteht hierdurch eine Entlastung der Hochschulverwaltung, was als positiv zu werten ist. Zu guter Letzt besitzen die Studierendenschaften in anderen Bundesländern eine Satzungsautonomie, bei der eigene Strukturen geschaffen werden können und so keine zusätzliche Genehmigung durch die Hochschulleitung mehr vonnöten ist. So können diese unabhängiger und mehr auf Augenhöhe mit den Hochschulen handeln.
Auch für Bayern sehen wir ein ähnliches Studierendenschaftsmodell als mögliche und hervorragend geeignete Lösung für die genannten Probleme an. Selbstverständlich muss die Studierendenschaft sinnvoll strukturiert und in den Hochschulbetrieb eingebunden bleiben. Wir fordern keine Abspaltung der Studierendenvertretung, sondern eine Stärkung der Eigenständigkeit der Studierendenschaft, die sich weiterhin bewusst als Teil der Hochschule identifiziert.
Finanzierung
Die aktuelle Finanzierung der Studierendenvertretung durch staatliche Mittel reicht für ambitionierte Projekte bei weitem nicht aus; im Gegensatz zu Studierendenschaften in anderen Bundesländern steht ihnen um Faktor 10 weniger Geld zur Verfügung [2].
Dort ist es nämlich üblich, dass ein kleiner Mitgliedsbeitrag von den Studierenden erhoben wird, um eine den Bedarfen angemessene Finanzierung zu ermöglichen. Von dieser Möglichkeit werden die bayerischen Studierendenvertretungen Gebrauch machen, wenn die staatliche Finanzierung den Bedarfen nicht gerecht wird.
Gleichzeit ist eine staatliche Grundfinanzierung der Studierendenvertretungen weiterhin notwendig, damit jeder von den Studierenden erhobene Euro auch wirklich in Projekte zu ihren Gunsten fließt und nicht in der Verwaltung versickert.
Der Einzug eines möglichen Mitgliedsbeitrags über den Semesterbeitrag und das Weiterleiten an die Studierendenschaft würde den Verwaltungsaufwand gering halten. Bei finanzieller Not wird Studierenden durch einen Antrag im Einzelfall die Befreiung von der Beitragspflicht ermöglicht.
Verschränkung von Ämtern
Neben der Beteiligung in Ämtern der Studierendenschaft sind Studierende integraler Bestandteil in der akademischen Selbstverwaltung. Hierfür ist bei Entsendungen die Studierendenschaft in der entsprechenden Organisationsebene allein vorschlagsberechtigt.
Die studentischen Senator*innen der Hochschule sind weiterhin gleichzeitig Teil des Exekutivorgans der Studierendenschaft. Es ist weiter möglich, auf Ebene der Grundordnung einer Hochschule festzulegen, dass die studentischen Senator*innen abweichend vom im Hochschulgesetz vorgeschriebenen Regelfall vom legislativen Organ der Studierendenschaft in den akademischen Senat gewählt werden können.
Diese Verschränkungen zwischen der Tätigkeit in der studentischen und der akademischen Selbstverwaltung erlauben es, die Positionen der Studierendenschaft innerhalb der Hochschule stark zu repräsentieren und schaffen gleichzeitig die Basis für eine konstruktive und nachhaltige Beteiligung der Studierendenschaft in der Organisation und bei Weiterentwicklung der Hochschule.
Verwaltungsstrukturen
Auch in Verwaltungsaufgaben soll die Studierendenschaft weiterhin eng mit ihrer Hochschule zusammenarbeiten und muss als Teilkörperschaft dieser weiterhin die Möglichkeit haben, neben Räumen auch die Infrastruktur der Hochschule (z. B. E- Mail und Telefonsysteme, Schließsysteme, Hauspost, Datenschutz) ohne zusätzliche Kosten mitzunutzen. Ansonsten droht eine Erhöhung der Beiträge von Studierenden zur Finanzierung von eigentlich unnötigen Doppelstrukturen, die sich überproportional stark an kleinen Hochschulen auswirken würde.
Gleichzeitig muss es für die Studierendenschaft sehr wohl möglich sein, aus eigenen Mitteln neue Verwaltungsstrukturen oder Infrastruktur zu schaffen, falls die Hochschule diese nicht oder nur unzureichend anbieten kann. Denn gerade in Bezug auf Digitalisierung und Innovationen in der Verwaltung sind Studierendenschaften durch die Notwendigkeit, Lösungen für den regelmäßigen Wechsel von Mitgliedern zu finden, prädestiniert, eine Vorreiterrolle einzunehmen.
Eine Sonderrolle nimmt außerdem die Finanzverwaltung der Studierendenschaft ein. Denn wie bereits beschrieben, ist eins der aktuellen Probleme die Langwierigkeit der Genehmigung von Finanzanträgen. Der Genehmigungsprozess von Finanzen muss daher in jedem Fall vollständig durch Strukturen innerhalb der Studierendenschaft erfolgen. Gleichzeitig ist in der reinen Buchhaltung und Rechnungsführung eine Kooperation sinnvoll, um wiederum bereits bestehende Ressourcen zu nutzen, ohne die Selbstbestimmung der Studierendenschaft einzuschränken. Gerade für kleinere Hochschulen muss hier eine unbürokratische Lösung gefunden werden, um zu verhindern, dass das gesamte studentische Engagement in reiner Selbstverwaltung verpufft.
Zuletzt bedarf es für eine umfassende, nachhaltige und strategisch arbeitsfähige Studierendenvertretung die Möglichkeit und die Unterstützung zu einem angepassten Wissensmanagementsystem. Grundlegend dafür ist eine entsprechend geschulte Verwaltungsstelle, die nicht nur als Sekretariatsstelle unterstützend, sondern darüber hinaus auch inhaltlich und strukturell über mehrere Jahre tätig ist. Mittel dafür müssen im Rahmen der Grundfinanzierung staatlich bereitgestellt werden oder Studierendenvertretungen müssen wie oben genannt die Möglichkeit erhalten, Beiträge von den Studierenden zu erheben.
Zusammenfassung
Die bayerischen Studierendenvertretungen sehen sich seit Jahren mit verschiedenen Problemen konfrontiert, die sie am Ausschöpfen ihrer vollen Potenziale hindern. Das hat nicht nur mit der generellen Unterfinanzierung der bayerischen Hochschulen zu tun. Besonders bezeichnend sind die fehlende Finanzhoheit, Rechtsfähigkeit und Satzungshoheit, die in vielen Situationen unnötige bürokratische Hürden aufbauen. Andere Bundesländer gewähren diese Rechte ihren Studierendenvertretungen bereits. Die bayerischen Studierendenvertretungen fordern diese Rechte auch ein. Dabei soll die Studierendenvertretung weiterhin geeint alle Studierenden vertreten. Die durch die Studierendenvertretung geschaffenen Ämter in der Selbstverwaltung sollen dabei wie auch bisher mit den Ämtern innerhalb der Hochschule verschränkt sein. Das Gleiche gilt für die Infrastruktur, die Verwaltung und weiteren Ressourcen wie zum Beispiel Räume der Hochschule. Das Ziel ist nicht der Aufbau von Doppelstrukturen, sondern ein effizientes Ineinandergreifen der Systeme. Gleichzeitig muss die Studierendenvertretung unabhängiger agieren und finanziell eigenverantwortlich handeln können. Wir sind überzeugt, dass die Studierendenvertretungen den Pflichten aus den neu gegebenen Rechten nachkommen. Wir wollen die zukünftigen Studierenden in ihrer Selbstverwaltung und Eigenverantwortung stärken und sie somit dabei zu unterstützen, die Herausforderungen der Welt von morgen innovativ zu lösen. Das geht am besten, wenn den Studierendenvertretungen auch Spielräume gewährt werden, in denen sie sich entfalten können.
Quellen:
[1] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft–Umwelt/Bildung–Forschung–Kultur/Hochschulen/Tabellen/studierende–insgesamt–bundeslaender.html [2] https://www.asta-marburg.de/fileadmin/Gremien/StuPa/Haushalt/2022_HaHa–Rumpfwirtschaftsjahr_.pdfPosition
Landes-ASten-Konferenz Bayern
c/o Studierendenvertretung der LMU
Leopoldstraße 15
80802 München