Mit Entsetzen mussten wir feststellen, dass in dem neuen Gesetzesentwurf zum Bayerischen Hochschulinnovationsgesetz Studiengebühren für nicht EU-Studierende ermöglicht werden. Wir, die bayerische Landesstudierendenvertretung, das Aktionsbündnis gegen Bildungs- und Studiengebühren, der Bundesverband ausländischer Studierender, der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Studierenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie der Landesverband wissenschaftliches Personal in Bayern positionieren uns klar gegen diese Bestimmungen und halten das Vorhaben auf mehreren Ebenen für fatal für eine gerechte Bildung.
Bildung ist ein Grundrecht und muss allen offen stehen. Das gilt auch für die höheren Bildungswege. Das eigene Interesse und nicht das vorhandene Vermögen sollte dafür ausschlaggebend sein, für welche Ausbildung man sich entscheidet. Die Forderung, dass “Nicht-EU-Studierende” zahlen sollen, ist diskriminierend. Kein Mensch hat einen Einfluss darauf, welche Staatsbürger*innenschaft er oder sie bei der Geburt bekommt. Dies darf keinesfalls zum Parameter für zukunftsorientierte Bildung werden und scheint nur dogmatisch vorgeschoben, um klar zu entscheiden, welchen Menschen Bildung in diesem Land offenstehen soll.
Zudem betrachten wir mit großer Besorgnis, wie die geplante gesetzliche Regelung die Werte, welchen sich die Bundesrepublik Deutschland selbst verpflichtet hat, mit Füßen tritt. Die bayerische Landesregierung widerspricht damit nicht nur dem Recht auf freie Bildung, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und dem Grundgesetz festgeschrieben ist. Im Gegenteil mahnt Artikel 13 des von Deutschland ratifizierten UN-Sozialpaktes an, dass finanzielle Hürden zum Zugang zu Bildung nicht gesteigert werden dürfen, sondern permanent abgebaut werden müssen.
2012 initiierten die Freien Wähler noch des Volksbegehrens gegen Studiengebühren in Bayern und verweisen darauf noch stolz in ihrem Wahlprogramm 2018 [1].
Auch die CSU war für die Abschaffung der Studiengebühren und konnte nur wegen ihres damaligen Koalitionspartners, der FDP, nicht früher einlenken [2]. Für die letzte Landtagswahl galt im Wahlprogramm noch der Satz: “Bayern ist das Studentenland in Deutschland.” [3]
Der Koalitionsvertrag geht sogar noch weiter und versteht explizit die “Heterogenität der Studienanfänger [und] Internationalisierung” als Aufgaben der Hochschulen [4]. Das findet sich auch im aktuellen Gesetzesentwurf wieder. Und zuallerletzt ist die Einführung von Studiengebühren auch im aktuellen Gesetzesverfahren neu. Im 1. Entwurf des BayHIG wurden sie weder erwähnt noch angedeutet.[5]
Zusammenfassend verabschieden Sie gerade mit ihrem Koalitionspartner ein Gesetz, dass Studiengebühren zulässt, ohne dass der Wille in ihren Parteien durch Wahlprogramme, Regierungsprogramme, Koalitionsverträge oder dem bisherigen Gesetzesverfahren erkennbar gewesen wäre. Auch gibt es keine plötzliche Krise, die einen derartigen Umschwung plötzlich rechtfertigen würde.
Das ist beschämend. Das ist erschreckend. Das ist nicht das Bayern, für das wir stehen.
Die bayerischen Hochschulen leben auch vom Austausch. Von dem Austausch zwischen Forschung und Lehre. Dem Austausch zwischen Lehrenden und Studierenden. Und dem Austausch mit anderen Kulturen. Wie soll Bayern als Studienstandort noch attraktiv sein, wenn fast im gesamten Rest von Deutschland das Studium entgeltfrei ist? Wie sollen wir in Bayern von dem Wissen, den Ansichten und der Kulturen von Studierenden profitieren, die wir mit finanziellen Hürden ausschließen?
Aber nicht nur der Austausch an den Hochschulen ist so wichtig. Auch wollen wir in Bayern junge und auch von uns gut ausgebildete Fachkräfte behalten. Nicht umsonst sollen an bayerischen Hochschulen auch Deutschkompetenzen vermittelt werden. Wir wollen den Zuwachs aus anderen Ländern. Wir brauchen ihn. All dem wird mit dem neuen Gesetz ein Riegel vorgeschoben.
Wir möchten an Sie alle appellieren, sich die Argumente gegen die Studiengebühren noch einmal vor Augen zu führen und sich zu überlegen, ob Sie alle die Konsequenzen mittragen möchten. Neben dem massiven Vertrauensverlust, den sie bei ihrer jungen Wählerschaft einfahren, werden auch die Studierendenzahlen sich den neuen Bedingungen anpassen. In Baden-Württemberg wurden bereits 2017 Studiengebühren für internationale Studierende eingeführt – mit gravierenden Folgen für die Studierendenzahlen [6,7].
Sie schaden mit diesem Satz im Gesetz nicht nur den bayerischen Hochschulen und Universitäten. Auch die bayerische und deutsche Gesellschaft kann von dieser Regelung nicht profitieren. Wir fordern die Streichung von Art. 13 Abs. 3 S.1 Nr.6 zum Selbstschutz der Hochschulen und zur Erfüllung des Humboldt’schen Bildungsideals.
Mit freundlichen Grüßen,
die bayerische Landesstudierendenvertretung (LAK Bayern)
Bundesverband ausländischer Studierender (BAS)
Aktionsbündnis gegen Bildungs- und Studiengebühren (ABS)
Bund demokratischer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen (BdWi)
Landesverband wissenschaftliches Personal Bayern (LWB)
Quellen
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Bayerische Landesstudierendenvertretung (LAK): sekretariat@lak-bayern.de
Aktionsbündnis gegen Bildungs- und Studiengebühren: nathalie.schaefer@fzs.de
Bundesverband ausländischer Studierender: presse@bas-ev.de
Bund demokratischer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen (BdWi): fuchs@bdwi.de
Landesverband Wissenschaftler in Bayern (LWB): emmer@lmu.de
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