Am 30.11.2022 wurde ChatGPT der brei­ten Öffent­lich­keit zugäng­lich gemacht. Inner­halb von fünf Tagen wurde die Zahl von einer Milli­on akti­ven Nutzer*innen geknackt. Keine ande­re Online-Plat­t­­form hat bisher eine solche Wachs­tums­ge­schwin­dig­keit erlebt [1]. Dies zeigt, wie sehr KI in der Mitte der Gesell­schaft ange­kom­men ist. Auch vor der baye­ri­schen Hoch­schul­land­schaft macht diese Tech­no­lo­gie nicht halt.

Bei ChatGPT handelt es sich um eine gene­ra­ti­ve KI, die von OpenAI trai­niert wird. Das Tool kann menschen­ähn­li­che Gesprä­che führen und Aufga­ben durch natür­li­che Sprach­ein­ga­be erle­di­gen. Dadurch können Fragen beant­wor­tet, Texte erfasst, Über­set­zun­gen erstellt oder ganze Program­me program­miert werden. Das large language model (LLM) ChatGPT wurde auf einer riesi­gen Menge an Text­da­tei­en trai­niert, um sprach­li­che und inhalt­li­che Zusam­men­hän­ge zu erler­nen. Dadurch ist es in der Lage, auf viele Anfra­gen natür­li­che und sinn­vol­le Antwor­ten zu geben. Daraus erge­ben sich eine Viel­zahl an Möglich­kei­ten, wie gene­ra­ti­ve KI in Lehre und Forschung an den baye­ri­schen Hoch­schu­len und Univer­si­tä­ten einge­setzt werden kann. Einfa­che Texte und Grafi­ken lassen sich mit nur weni­gen Klicks erstel­len. Aller­dings wurde KI wie ChatGPT primär darauf trai­niert, dass die gene­rier­ten Texte sprach­lich gut klin­gen. Dies führt dazu, dass häufig inhalt­li­che Fehler entste­hen. Studie­ren­de, Lehren­de und Wissenschaftler*innen müssen sensi­bi­li­siert werden, den Unter­schied zwischen inhalt­li­cher Quali­tät und schein­bar profes­sio­nel­ler Formu­lie­rung zu diffe­ren­zie­ren und “erfun­de­ne” Inhal­te, soge­nann­te Hallu­zi­na­tio­nen, erken­nen zu können.

Dabei fördert gera­de die Nutzung von KI wie ChatGPT kriti­sches Denken und Refle­xi­ons­fä­hig­keit, da Studie­ren­de in der Lage sein müssen, fehler­haf­te Infor­ma­tio­nen zu iden­ti­fi­zie­ren und zu korri­gie­ren. Die Einfüh­rung von KI-Tools in der Lehre bietet zahl­rei­che Möglich­kei­ten, wie die Erstel­lung von inter­ak­ti­ven Lehr­in­hal­ten, perso­na­li­sier­tes Feed­back und neuar­ti­ge Aufga­ben­stel­lun­gen. Studie­ren­de können komple­xe Texte leich­ter zugäng­lich machen und Fragen stel­len, auch außer­halb der regu­lä­ren Kurse.

Seit länge­rem wird kriti­siert, dass viele Prüfun­gen auch im akade­mi­schen Bereich buli­mie­ar­tig gelern­tes Wissen abfra­gen, statt Kompe­ten­zen und deren Anwen­dung auf komple­xe akade­mi­sche Frage­stel­lun­gen. Um hier­für inno­va­ti­ve Lösun­gen entwi­ckeln zu können, ist es selbst­ver­ständ­lich und drin­gend notwen­dig, dass Studie­ren­de auf Werk­zeu­ge und Tech­no­lo­gien ihrer Zeit zurück­grei­fen können. Eine zukunfts­ge­wand­te Lehre sorgt deshalb dafür, dass dieser Werk­zeug­kas­ten mit einer Viel­zahl an zeit­ge­mä­ßen Tools gefüllt wird.

Durch diese Tools besteht die Möglich­keit, ganze Haus­ar­bei­ten schrei­ben zu lassen. Dies darf jedoch keines­falls dazu führen, dass projekt­ba­sier­te Prüfun­gen den Rück­zug antre­ten. Im Gegen­teil, es soll­te dazu ermu­ti­gen, sich über die Frage Gedan­ken zu machen, welche Leis­tun­gen als Lehr- und Lern­erfolg zu bewer­ten sind. Hier­für müssen die Bewer­tungs­kri­te­ri­en und der Über­ar­bei­tungs­pro­zess stetig ange­passt werden. Der Umgang mit diesen Tech­no­lo­gien und deren Einsatz in der akade­mi­schen Welt, sowie ihr beglei­te­ter Trans­fer in die Gesell­schaft sollen an Hoch­schu­len unter­sucht und vermit­telt werden.

Diese Entwick­lun­gen sollen Präsenz­leh­re im Allge­mei­nen nicht erset­zen. An unse­ren Hoch­schu­len geben Expert*innen ihr Wissen und ihre Erfah­rung an jünge­re Gene­ra­tio­nen weiter. Das kann und wird so nicht von einer KI ersetzt werden.

Spezi­fisch bezo­gen auf den Einsatz von KI in der akade­mi­schen Welt sind noch eini­ge Fragen zu beant­wor­ten und es gilt, darauf zeit­nah Lösun­gen zu finden. Zum einen muss gere­gelt werden, wie die Nutzung von KI in wissen­schaft­li­chen Arbei­ten kennt­lich gemacht wird. Das klas­si­sche Zitie­ren ist nicht möglich, da die KI selbst bei iden­ti­scher Such­ein­ga­be unter­schied­li­che Ausga­ben erzeugt. Auch ist es aktu­ell schwie­rig in Erfah­rung zu brin­gen, woher die von der KI verwen­de­ten Inhal­te stam­men, was das Ange­ben von Primär­quel­len deut­lich erschwert. Es besteht zwar die Möglich­keit, die KI nach Quel­len zu fragen, dabei ist eine Quel­len­über­prü­fung jedoch unab­ding­bar, da die Voll­stän­dig­keit oder Korrekt­heit der Quel­len zumeist falsch oder nicht ordent­lich nach­voll­zieh­bar ist. Nicht zuletzt müssen die aktu­el­len Noten­ge­bungs­ver­fah­ren bei Haus­ar­bei­ten etc. ange­passt werden. Viel­leicht wird es auch die Möglich­keit geben, anzu­ge­ben, wenn eine KI zura­te gezo­gen wurde, und dann den sprach­li­chen Aspekt der Arbeit anders zu gewich­ten. Außer­dem steht noch kein verläss­li­ches Prüf­ver­fah­ren zur Erken­nung von künst­lich gene­rier­ten Inhal­ten in Aussicht.

ChatGPT und ande­re KI-Tools werden nicht die letz­ten inno­va­ti­ven und disrup­ti­ven Tech­no­lo­gien sein, welche auf die baye­ri­sche Hoch­schul­land­schaft tref­fen. Die Baye­ri­sche Landes­stu­die­ren­den­ver­tre­tung fordert deshalb die Wissen­schafts­land­schaft, Hoch­schu­len, Poli­tik und alle weite­ren Betei­lig­ten in diesem Bereich auf, zukunfts­fä­hig und visio­när zu denken. Die Möglich­kei­ten, welche sich mit neuen Tech­no­lo­gien wie künst­li­cher Intel­li­genz im Alltag von Wissen­schaft, Lehre und Forschung erge­ben, müssen bei zukünf­ti­gen Weiter­ent­wick­lun­gen berück­sich­tigt werden. Alle Betei­lig­ten müssen lernen, die neuen Möglich­kei­ten zu nutzen und kritisch zu hinterfragen.

Wie bereits in frühe­ren Posi­ti­ons­pa­pie­ren [2], [3] gefor­dert, muss sich die baye­ri­sche Hoch­schul­land­schaft zu kompe­tenz­ori­en­tier­ten Forschungs- und Lern­or­ten entwi­ckeln. Dafür müssen Studie­ren­de, Lehren­de und Forschen­de ihren Hori­zont erwei­tern und ihre bishe­ri­gen Vorge­hens­wei­sen grund­le­gend hinter­fra­gen. Pauscha­le Verbo­te des Einsat­zes von Künst­li­cher Intel­li­genz inner­halb der Hoch­schul­land­schaft lehnen wir ab. Damit die baye­ri­sche Hoch­schul­land­schaft diesen großen Umbruch bewäl­ti­gen kann, fordern wir die Hoch­schul­ver­bän­de und das Staats­mi­nis­te­ri­um auf, eine Platt­form zu schaf­fen, in der sich Lehren­de, Forschen­de und Studie­ren­de auf Augen­hö­he austau­schen können, um neue Lehr‑, Lern- und Prüfungs­for­ma­te zu entwi­ckeln, welche den Umgang mit neuen Tech­no­lo­gien, wie ChatGPT, beinhal­ten. Diese Forma­te sollen primär der Förde­rung des Kompe­tenz­er­werbs aller Betei­lig­ten dienen. Zudem können auf dieser Platt­form die oben genann­ten Frage­stel­lun­gen in der Wissen­schafts­com­mu­ni­ty gemein­sam beant­wor­tet werden.

Dieses Posi­ti­ons­pa­pier wurde im April 2023 verfasst und bezieht sich auf den tech­ni­schen Stand zu diesem Zeit­punkt. Aufgrund der hoch­dy­na­mi­schen Entwick­lung dieser Tech­no­lo­gie behält sich die Baye­ri­sche Landes­stu­die­ren­den­ver­tre­tung vor, diese Posi­ti­on im Verlau­fe der Zeit anzupassen.


[1] https://​de​.statis​ta​.com/​i​n​f​o​g​r​a​f​i​k​/​2​9​1​9​5​/​z​e​i​t​r​a​u​m​–​d​e​n​–​o​n​l​i​n​e​–​d​i​e​n​s​t​e​–​g​e​b​r​a​u​c​h​t​–​h​a​b​e​n​–​u​m​–​e​i​n​e​–​m​i​l​l​i​o​n​–​n​u​t​z​e​r​–​z​u​–​e​r​r​e​i​c​h​en/  [2] https://​lak​.bayern/​2​0​2​2​/​0​3​/​1​3​/​z​u​k​u​n​f​t​–​d​e​r​–​l​e​h​re/ [3] https://​lak​.bayern/​2​0​2​2​/​0​5​/​2​2​/​z​u​k​u​n​f​t​–​d​e​r​–​p​r​u​e​f​u​n​g​en/

Posi­ti­on

Landes-ASten-Konfe­renz Bayern
c/o Studie­ren­den­ver­tre­tung der LMU
Leopold­stra­ße 15
80802 München