Inklu­si­on an bayri­schen Hochschulen

In Bayern studie­ren in etwa 44 500 Perso­nen mit Beein­träch­ti­gun­gen. Darun­ter fallen sowohl Menschen mit körper­li­chen und psychi­schen Beein­träch­ti­gun­gen als auch mit chro­ni­schen Krank­hei­ten. Die Rech­te dieser Perso­nen sind durch das Diskri­mi­nie­rungs­ver­bot des Grund­ge­set­zes (vgl. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG), das Allge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz, die Behin­der­ten­gleich­stel­lungs­ge­set­ze des Bundes und der Länder sowie durch das Über­ein­kom­men der Verein­ten Natio­nen in den letz­ten Jahren gestärkt worden. Spezi­ell für die Einrich­tung “Hoch­schu­le” wurden in Bayern aber nur bedingt Geset­ze oder Verord­nun­gen erlas­sen, das Themen­feld “Inklu­si­on” basiert aktu­ell haupt­säch­lich auf hoch­schul­in­ter­ne Agree­ments und Empfeh­lun­gen diver­ser Orga­ni­sa­tio­nen und Einrich­tun­gen. Im aktu­ell noch gelten­den Baye­ri­schen Hoch­schul­ge­setz (BayHSchG) regelt Art. 2 Abs. 3 die Bestel­lung einer bzw. einer Behin­der­ten­be­auf­trag­ten an jeder Hoch­schu­le. Es erfolgt weder eine Aussa­ge zur Skalie­rung der Anzahl der Beauf­trag­ten oder der Mitarbeiter*innen anhand der Größe der Hoch­schu­le, noch wird das Aufga­ben­feld genau­er defi­niert oder auf Nach­teils­aus­glei­che einge­gan­gen. Nicht mal der Behin­der­ten­be­griff wird im Gesetz weiter ausdif­fe­ren­ziert. Die verwen­de­te Formu­lie­rung „Studie­ren­de mit Behin­de­rung“ ist nicht zeit­ge­mäß und entspricht nicht mehr dem heuti­gen Verständ­nis eines moder­nen Inklu­si­ons­be­griffs. Im weite­ren Verlauf wird daher Beein­träch­ti­gung gewählt und dieser Begriff soll im Rahmen des vorlie­gen­den Papiers sowohl körper­li­che, psychi­sche als auch chro­ni­sche Leiden jedwe­der Art einschlie­ßen. Das bishe­ri­ge Konzept zur inklu­si­ven Hoch­schu­le des Baye­ri­schen Wissen­schafts­mi­nis­te­ri­ums ist ein entschei­den­der Schritt zu „einer Hoch­schu­le für Alle“. Jedoch bedarf es einer star­ken Erwei­te­rung der Inklu­si­on im Baye­ri­schen Hoch­schul­ge­setz über alle Arten der Beein­träch­ti­gun­gen und über die gesam­te akade­mi­sche Lauf­bahn hinweg. Ein beson­de­res Augen­merk verdie­nen dabei die echte Teil­ha­be am Hoch­schul­all­tag, die Sensi­bi­li­sie­rung und Aufklä­rung der gesam­ten Hoch­schul­ge­mein­schaft, die bayern­wei­te Infor­ma­ti­ons­trans­pa­renz sowie die digi­ta­le Inklusion.

Chan­cen­glei­che Teil­ha­be für Studie­ren­de mit Beeinträchtigungen

Der inten­si­ve Austausch unter den Studierendenvertreter*innen inner­halb der LAK Bayern zeigt, dass Hand­lungs­be­darf beim Thema Inklu­si­on an baye­ri­schen Hoch­schu­len und Univer­si­tä­ten besteht. Ein Bestand­teil des vorhan­de­nen Konzepts ist eine barrie­re­freie Gestal­tung von Gebäu­den. Die Umset­zung vor Ort lässt jedoch bisher zu wünschen übrig. Dies ist sicher­lich auf die notwen­di­gen finan­zi­el­len Mittel und auf die begrenz­ten Möglich­kei­ten an manchen Hoch­schu­len zurück­zu­füh­ren. Der Denk­mal­schutz sowie die begrenz­ten Mittel dürfen aber die Hoch­schu­len nicht dauer­haft an einem inklu­si­ven Um- oder Ausbau hindern. Immer noch gibt es nicht nur an Hoch­schu­len, sondern auch in vielen ande­ren öffent­li­chen Gebäu­den keine flächen­de­cken­den barrie­re­frei­en Zugän­ge und viel zu weni­ge passen­de sani­tä­re Anla­gen. Noch weni­ger werden Flucht­we­ge für Menschen mit Beein­träch­ti­gung berück­sich­tigt. Viele große Hörsä­le sind so konzi­piert, dass Perso­nen im Roll­stuhl nur ganz vorne unten oder ganz hinten oben Platz nehmen können, so dass sie entwe­der ganz allein oder unter sich sitzen – echte Inklu­si­on sieht anders aus.

Die vorhan­de­nen Bera­tungs­an­ge­bo­te inner­halb der Hoch­schu­len können verbes­sert werden, vorhan­de­ne Lücken soll­ten geschlos­sen werden. Ein flächen­de­cken­des mehr­spra­chi­ges Ange­bot für allge­mei­ne Infor­ma­tio­nen sowie Bera­tung ist noch nicht gewähr­leis­tet. Eben­falls ist eine Verste­ti­gung des Perso­nals im Bereich Inklu­si­on und Barrie­re­frei­heit erfor­der­lich. Eine Anpas­sung in Abhän­gig­keit der Größe der jewei­li­gen Hoch­schu­le kann dem Betreu­ungs- und Bera­tungs­be­darf gerech­ter werden als die bishe­ri­ge Rege­lung des BayHSchG. Darauf aufbau­end soll­te man auch eine geschlecht­li­che Viel­falt in der Beset­zung berück­sich­ti­gen, um den Betrof­fe­nen ggf. die Möglich­keit zu eröff­nen, eine Vertrau­ens­per­son der eige­nen Wahl anspre­chen zu können. Gene­rell muss die Hemm­schwel­le beim Nutzen des Ange­bots gesenkt werden. Viele Betrof­fe­ne melden die erleb­ten Hürden oder Diskri­mi­nie­run­gen im Laufe ihres akade­mi­schen Werde­gangs zu spät, oder gar nicht aus Scham oder Angst noch mehr Anfein­dun­gen zu erle­ben. Gute Aufklä­rungs- und Bera­tungs­an­ge­bo­te gewähr­leis­ten eine chan­cen­glei­che Teil­ha­be der Studie­ren­den mit Beein­träch­ti­gung am Hoch­schul­all­tag. Um diese sicher­zu­stel­len, bedarf es auch deut­lich mehr Schu­lun­gen und der Sensi­bi­li­sie­rung aller Hochschulangehörigen.

Sensi­bi­li­sie­rung der Hoch­schul­ge­mein­schaft für Studie­ren­de mit Beeinträchtigungen

Diese Schu­lun­gen müssen für alle Hoch­schul­an­ge­hö­ri­gen, nicht nur für Studie­ren­de, bereit­ge­stellt werden. Für an der Hoch­schu­le fest ange­stell­te Perso­nen, insbe­son­de­re Lehr– und Verwal­tungs­per­so­nal, müssen diese verpflich­tend sein. Aufklä­rungs- und Sensi­bi­li­sie­rungs­an­ge­bo­te können auch in Zusam­men­ar­beit mit der loka­len Studie­ren­den­ver­tre­tung orga­ni­siert werden. Exter­ne Kurse bei quali­fi­zier­ten Anbie­tern sind denk­bar (DIZ, PlP). Auch inner­halb der Didak­tik und Quali­täts­si­che­rung der Lehre müssen Themen wie Inklu­si­on und Entstig­ma­ti­sie­rung durch geeig­ne­te Fragen und Quali­täts­si­che­rungs­me­cha­nis­men Beach­tung finden. Durch diese QM-Rele­­vanz des Themas werden Mitglie­der des Lehr­kör­pers stär­ker dazu befä­higt sich mit dem Komplex ausein­an­der­zu­set­zen und sich bzgl. Sensi­bi­li­tät und Kommu­ni­ka­ti­on fortzubilden.

Gegen­wär­tig besteht das Problem, dass Betrof­fe­ne davor scheu­en ihre Betrof­fen­heit anzu­spre­chen, sich aber, um Hilfe zu erhal­ten oft selbst „outen“ müssen. Daher soll­ten obige Schu­lun­gen diesen Komplex zum Thema machen und (nicht nur) den Lehren­den Stra­te­gien an die Hand geben das Thema offen zu kommu­ni­zie­ren und behut­sam anzu­spre­chen und evtl. entste­hen­de Fragen und Heraus­for­de­rung gemein­sam mit den Betrof­fe­nen zu meistern.

Dazu gehö­ren insbe­son­de­re Prak­ti­ka, Exkur­sio­nen und Auslands­auf­ent­hal­te, die für Studie­ren­de mit Beein­träch­ti­gun­gen heraus­for­dernd sein können. Bisher blie­ben konkre­te Lösun­gen oft an den Studie­ren­den selbst hängen, zukünf­tig muss die Universität/Hochschule schon bei der Erstel­lung der Prüfungs­ord­nun­gen und Modul­hand­bü­cher das Thema berück­sich­ti­gen und einzel­fall­ba­siert Maßnah­men anbie­ten, dazu können z.B. inklu­si­ve Prak­ti­kums­plät­ze, aber auch das Ange­bot von Ersatz­leis­tun­gen gehö­ren. Dabei sind die Behin­der­ten­be­auf­trag­ten einzu­bin­den, dies gilt insbe­son­de­re für die Schu­lun­gen des Lehrpersonals.

Aller­dings sind sie vorran­gig selbst regel­mä­ßig, geson­dert bayern­weit einheit­lich zu schu­len. Hier­bei sind alle Arten von Beein­träch­ti­gung, sowohl physisch als auch psychisch, dem aktu­el­len Forschungs­stand entspre­chend zu berücksichtigen.

Inklu­si­ons­kon­zep­te und Infor­ma­ti­ons­platt­form für Bayern

Die Hoch­schu­len werden dazu aufge­for­dert, indi­vi­du­el­le Inklu­si­ons­kon­zep­te zu erar­bei­ten. Diese Konzep­te sollen, ange­passt an die Infra­struk­tur der jewei­li­gen Hoch­schu­le, Diskri­mi­nie­rung verhin­dern und ein gesun­des Lern­um­feld schaf­fen. Diese Konzep­te sollen mindes­tens alle zwei Jahre sinn­voll öffent­lich evalu­iert werden, um poten­zi­el­le Schwach­stel­len ausmer­zen zu können.

Um die Vergleich­bar­keit der Hoch­schu­len zu gewähr­leis­ten, sowie den Studie­ren­den anhand von Fakten die Wahl der geeig­ne­ten Hoch­schu­le zu ermög­li­chen, sollen die Hoch­schu­le eine eige­ne – leicht auffind­ba­re – offe­ne Inter­net­sei­te einrich­ten. Auf dieser Seite kommu­ni­zie­ren die Hoch­schu­len trans­pa­rent, welche Proble­me sie bereits erkannt haben und welche Lösun­gen sie dafür gefun­den haben. Die Hoch­schu­len weisen so ihre Inklu­si­vi­tät bzw. Barrie­re­frei­heit nach.

Ein nieder­schwel­li­ges Ange­bot von Infor­ma­tio­nen zu Chan­cen­gleich­heit, Inklu­si­on oder auch Nach­teils­aus­gleich ist wich­tig, um alle betrof­fe­nen Perso­nen zu errei­chen und ihnen so eine chan­cen­glei­che und diskri­mi­nie­rungs­freie Bildung zu ermög­li­chen. Dafür soll­te eine bayern­wei­te Infor­ma­ti­ons­web­sei­te mit allen verfüg­ba­ren Infor­ma­tio­nen einge­rich­tet werden.  Zusätz­lich soll­ten eben­falls alle wich­ti­gen Infor­ma­tio­nen auf den Websei­ten der Hoch­schu­len zu finden sein, sowie den Studie­ren­den am Beginn ihres Studi­ums über­mit­telt werden (beispiels­wei­se durch Flyer in den Erst­se­mes­ter­map­pen). Die Infor­ma­tio­nen soll­ten mindes­tens auch in engli­scher Spra­che zur Verfü­gung stehen, um keine sprach­li­che Barrie­re aufzubauen.

Die Behin­der­ten­be­auf­trag­ten als direk­te Ansprechpartner*innen soll­ten geschult werden und regel­mä­ßi­ge, ausführ­li­che Auffri­schungs­pro­gram­me besu­chen. Zudem soll­ten sie mit dem Inklu­si­ons­kon­zept der Hoch­schu­le, sowie den Proble­men und den Lösun­gen vertraut sein. Ein bayern­wei­tes Leit­bild für Inklu­si­on und für beein­träch­ti­ge Perso­nen könn­te die Grund­la­ge für alle Ände­run­gen bilden. Ein Leit­bild, welches die Rech­te von beein­träch­ti­gen Perso­nen stärkt, Diskri­mi­nie­rung verhin­dert und die Chan­cen­gleich­heit stärkt.

Chan­cen und Schwie­rig­kei­ten digi­ta­ler Inklusion

Die digi­ta­le Lehre hat in Bezug auf das Thema Inklu­si­on viele Chan­cen, aber auch Schwie­rig­kei­ten mit sich gebracht. Aufge­zeich­ne­te Vide­os von Veran­stal­tun­gen geben allen die Möglich­keit, zu stop­pen, zurück­zu­spu­len oder die Vide­os lang­sa­mer abzu­spie­len. Vide­os können so vor allem für Studie­ren­de mit Hörbe­ein­träch­ti­gung oder Aufmerk­sam­keits­de­fi­zi­ten vorteil­haft sein, da in einer Präsenz­si­tua­ti­on im Hörsaal oder Semi­nar­raum diese Inter­ak­tio­nen nicht oder nur schwer möglich sind. Studie­ren­de mit Mobi­li­täts­schwie­rig­kei­ten haben eine besse­re Chan­ce an Veran­stal­tun­gen teil­zu­neh­men, wenn diese online ange­bo­ten werden. Außer­dem können Perso­nen mit Sehschwä­chen sich Texte, die beispiels­wei­se in Präsenz ausge­teilt werden würden, an ihren PCs vorle­sen lassen. Aufgrund von chro­ni­schen Erkran­kun­gen gibt es eine Viel­zahl von Studie­ren­den, die deswe­gen öfter zuhau­se blei­ben. Digi­ta­le Lehre kann ihnen somit das Studi­um erleich­tern. Leider sorgt die Isola­ti­on von ande­ren Studie­ren­den dafür, dass alle weni­ger sozia­le Inter­ak­tio­nen einge­hen können. Für Perso­nen mit Beein­träch­ti­gung kann es also noch schwie­ri­ger sein Kontak­te zu halten oder zu knüp­fen. Viele benö­ti­gen auch das sozia­le Umfeld der Univer­si­tät, um produk­tiv zu sein, wie beispiels­wei­se in der Biblio­thek. Effi­zi­ent zuhau­se zu lernen gelingt nicht immer. Eine Chan­ce von digi­ta­ler Lehre wäre es zwar, Unter­ti­tel zu den Aufzeich­nun­gen hinzu­zu­fü­gen. Dies wäre für Studie­ren­den mit Hörschwä­che vorteil­haft, Eine Einfüh­rung von ange­pass­ten Lehr­ma­te­ria­li­en für Gehör­lo­se, Blin­de oder Menschen mit Rot-Grün-Schwä­che (wie beispiels­wei­se Unter­ti­tel und Vorle­se­funk­ti­on) soll­te flächen­de­ckend ange­strebt werden. Da digi­ta­le Lehre es zwar ermög­licht, dass Studie­ren­de mit Beein­träch­ti­gung die oben genann­ten Vortei­le für sich nutzen können, darf Inklu­si­on hier aber nicht den einfa­chen Weg gehen. Diesen Perso­nen darf nicht nur ein aufge­zwun­ge­nes Hybrid­kon­zept zuste­hen, sondern auch in der Präsenz­leh­re soll­ten ange­pass­te Lehr- und Lern­ma­te­ria­li­en einge­führt werden.

Inklu­si­on kann und soll noch viel mehr Aspek­te beinhal­ten. Dennoch erach­tet die LAK Bayern die ausge­führ­ten Gesichts­punk­te als akut drin­gend und notwen­dig, um einer inklu­si­ven Hoch­schul­land­schaft in Bayern gerecht zu werden. Die Förde­rung chan­cen­glei­cher Teil­ha­be am Hoch­schul­all­tag, die Sensi­bi­li­sie­rung aller Hoch­schul­an­ge­hö­ri­gen, trans­pa­ren­te und mehr­spra­chi­ge Verfüg­bar­keit von Infor­ma­tio­nen sowie digi­ta­le Inklu­si­on sind unab­kömm­lich auf dem Weg zu einem gerech­ten und offe­nen akade­mi­schen Umfeld in Bayern. Nur mittels der Umset­zung genann­ter Aspek­te kann Inklu­si­on an Hoch­schu­len und Univer­si­tä­ten die nächs­ten zukunfts­träch­ti­gen Schrit­te nehmen und ein barrie­re­frei­es Bayern Wirk­lich­keit werden.

 

Posi­ti­on

Landes-ASten-Konfe­renz Bayern
c/o Studie­ren­den­ver­tre­tung der LMU
Leopold­stra­ße 15
80802 München