Seit dem Beginn des Semes­ters hat sich die pande­mi­sche Lage dras­tisch verschlech­tert. Die Kran­ken­hausam­pel ist rot, die Klini­ken stehen vor dem Kollaps und die Staats­re­gie­rung hat den Kata­stro­phen­fall ausge­ru­fen. Am 19.11.2021 hat Minis­ter­prä­si­dent Dr. Söder zudem plötz­lich die 2G-Rege­­lung an allen baye­ri­schen Hoch­schu­len ausge­ru­fen und damit ein weite­res Erdbe­ben in der Hoch­schul­land­schaft ausgelöst.

Trotz der Tatsa­che, dass Hoch­schu­len mit besse­ren Hygie­­ne- und Sicher­heits­kon­zep­ten in das Semes­ter gestar­tet sind als die meis­ten gesell­schaft­li­chen Berei­chen und selbst – nicht zuletzt dank über­durch­schnitt­li­cher Impf­quo­ten der Studie­ren­den – nicht großer Trei­ber der hohen Inzi­den­zen sind, müssen diese nun in den 2G-Betrieb über­ge­hen. Dies wird in vielen Fällen zu rein digi­ta­ler Lehre führen.

Die Staats­re­gie­rung behan­delt die Studie­ren­den an dieser Stel­le unge­recht: Für Studie­ren­de ist das Studi­um ihre Primär­be­schäf­ti­gung, wie es für Schüler*innen die Schu­le und für Arbeitnehmer*innen der Job ist. Was für Schüler*innen das Klas­sen­zim­mer oder für Arbeitnehmer*innen das Büro ist, ist für Studie­ren­de ihre Hoch­schu­le. Studie­ren­de gelten im Sinne des Arbeits­rechts als Beschäf­tig­te, das Studi­um ist folg­lich keine Frei­zeit­ge­stal­tung oder kultu­rel­les Hobby. Deshalb soll­ten Studie­ren­de bei Einschrän­kun­gen in der Pande­mie gleich behan­delt werden wie Beschäftigte.Der Zugang für Studie­ren­de zur Hoch­schu­le in Präsenz mit einer 3G-Rege­­lung war ein elemen­ta­rer Punkt der Baye­ri­schen Infek­ti­ons­schutz­maß­nah­men­ver­ord­nung, um Plan­bar­keit für das Semes­ter, sowie Chan­cen­gleich­heit beim Zugang zu Bildung zu gewähr­leis­ten, aber auch den Gesund­heits­schutz bayern­weit hoch­zu­hal­ten. Aufgrund der aktu­el­len pande­mi­schen Lage halten wir eine 2G-Regel mit Ausnah­men für prak­ti­sche Veran­stal­tun­gen in 3G für vertret­bar. Durch diese spon­ta­ne und nicht rück­ge­kop­pel­te Verschär­fung erwar­ten wir folgen­de ziel­ge­rich­te­te und chan­cen­ge­rech­te Maßnah­men, die die Folgen der Entschei­dung für Studie­ren­de abmildern:

Verlän­ge­rung der indi­vi­du­el­len Regel­stu­di­en­zeit und Anzahl der Prüfungsversuche

Die erneu­te Ausru­fung des Kata­stro­phen­falls und die flächen­de­cken­de Einfüh­rung von 2G haben jegli­che Planun­gen zunich­te gemacht, die bisher für die Vorle­sun­gen, die Lehre der Professor*innen wie auch das Lernen der Studie­ren­den gemacht wurden. Wir befin­den uns nun offi­zi­ell zum vier­ten Mal in einem Krisen­se­mes­ter – und mit einem Blick auf die Inzi­den­zen und die während des Semes­ters ausge­ru­fe­ne Verschär­fung mit fehlen­der Plan­bar­keit sucht dieses seinesgleichen.

Daher fordern wir erneut und kompro­miss­los die Anwen­dung des Arti­kels 99 des Baye­ri­schen Hoch­schul­ge­set­zes auf das Winter­se­mes­ter 2021/22. Die Verlän­ge­rung der Prüfungs­fris­ten sowie der indi­vi­du­el­len Regel­stu­di­en­zeit sind zudem notwen­dig, um die pande­mie­be­ding­ten Härten im Studi­um auszu­glei­chen. Dieses Mittel hat sich in den letz­ten Semes­tern wie kein ande­res dafür bewährt, die psychi­schen und auch finan­zi­el­len Folgen für Studie­ren­de abzumildern.

Doch die reine Verlän­ge­rung der Regel­fris­ten hilft den Studie­ren­den, die seit zwei Jahren unter Krisen­be­din­gun­gen studie­ren, nicht. Die stän­dig wech­seln­den Prüfungs­for­ma­te stel­len eine große Heraus­for­de­rung für alle Studie­ren­den dar, die eine Prüfung wieder­ho­len müssen. Beson­ders betrof­fen sind Studie­ren­de in ihrem Letzt­ver­such, die sich bereits die letz­ten Semes­ter auf immer neue Prüfungs­be­din­gun­gen einstel­len muss­ten und somit eine zusätz­li­che Unsi­cher­heit in der Druck­si­tua­ti­on haben. Dieser Unsi­cher­heit und star­ker psychi­scher Belas­tung muss entge­gen­ge­wirkt werden. Zudem wurden an vielen Hoch­schu­len bereits die Anmel­dun­gen für Prüfun­gen abge­schlos­sen, ein Rück­tritt ist oft nicht möglich. Deshalb ist, wie zu Pande­mie­be­ginn, bei einer festen Anzahl von Prüfungs­ver­su­chen diese wieder um einen Versuch zu erhö­hen. Eben­falls muss es eine Frei­ver­suchs­re­ge­lung geben. Das bedeu­tet, dass Studie­ren­de ihre Prüfun­gen able­gen können, aber das Recht haben, das Ergeb­nis zu annul­lie­ren und die Prüfung zu einem späte­ren Zeit­punkt zu wiederholen.

Hybri­de Lehre finan­zi­ell stark unterstützen

2G an Hoch­schu­len bedeu­tet, dass für nicht geimpf­te Studie­ren­de ein digi­ta­les Studi­en­an­ge­bot ange­bo­ten werden muss. Das bedeu­tet, es reicht eine nicht geimpf­te Person in einem Kurs, damit dieser als hybri­de Lehr­ver­an­stal­tung abge­hal­ten werden muss. Nach­dem gute hybri­de Lehre durch die Kombi­na­ti­on von Präsenz- und digi­ta­len Elemen­ten die aufwen­digs­te Form der Lehre darstellt, ist zu befürch­ten, dass die meis­ten Veran­stal­tun­gen wieder in einen rein digi­ta­len Modus zurück­fal­len und die wert­vol­le Präsenz auf der Stre­cke bleibt. Auch ist im Ange­sicht der aktu­el­len Infek­ti­ons­la­ge eine digi­ta­le Studier­bar­keit wünschens­wert, damit auch Menschen, die sich unwohl fühlen oder leich­te Erkäl­tungs­sym­pto­me haben, flexi­bel zu Hause blei­ben können. Weder das tech­ni­sche noch das didak­ti­sche Ange­bot reichen jedoch aus, um flächen­de­ckend ein hoch­wer­ti­ges hybri­des Ange­bot bereit­zu­stel­len. Es muss unver­züg­lich sowohl in die tech­ni­sche Ausstat­tung der Hoch­schu­len als auch in Fort­bil­dung bei den Lehren­den inves­tiert werden. Viele Hoch­schu­len haben ihre bereits gerin­gen Mittel schon dafür verwen­det. Die jetzt nöti­ge finan­zi­el­le Unter­stüt­zung muss von der Landes­re­gie­rung kommen.

Ausnah­men von der 2G-Rege­­lung und bei Inzi­den­zen über 1000

Bei Pflicht­ver­an­stal­tun­gen in Präsenz darf es keine nega­ti­ven Konse­quen­zen für Studie­ren­de mit Krank­heits­sym­pto­men geben, dieser Pflicht­ver­an­stal­tung fern­zu­blei­ben. Zudem gibt es wie in den vergan­ge­nen Semes­tern einen gewis­sen Anteil an Lehr­ver­an­stal­tun­gen, die sich nicht in das Digi­ta­le über­tra­gen lassen, wie zum Beispiel Labor­prak­ti­ka, Frei­land­prak­ti­ka oder künst­le­ri­sche, sport­li­che sowie musi­sche Tätig­kei­ten. Um die tatsäch­li­che Gleich­wer­tig­keit eines Studi­en­ab­schlus­ses in der Pande­mie zu erhal­ten, müssen diese prak­ti­schen Veran­stal­tun­gen mit den entspre­chen­den Hygie­ne­maß­nah­men und einer 3G-Rege­­lung weiter­hin durch­ge­führt werden können. Auch bei Inzi­den­zen im Land­kreis über 1000 muss die Durch­füh­rung gewähr­leis­tet sein.

Außer­halb der prak­ti­schen Lehre hat sich gezeigt, dass Präsenz­leh­re auch in diskur­siv ange­leg­ten Klein­grup­pen­lehr­ver­an­stal­tun­gen unver­zicht­bar ist. Deshalb müssen auch bei Über­schrei­ten der 1000-Inzi­­denz-Schwel­­le Lehr­ver­an­stal­tun­gen mit weni­ger als 30 Präsenz-Teil­­neh­­men­­den möglich blei­ben. Diese Lehr­ver­an­stal­tun­gen soll­ten nach Möglich­keit auch hybrid abge­hal­ten werden. Die Hygie­ne­vor­schrif­ten für diese Veran­stal­tun­gen sollen die Hoch­schu­len in Abstim­mung mit den loka­len Gesund­heits­äm­tern verhän­gen. Um die Präsenz zu erhal­ten, sollen hier notfalls auch 2G oder 2G+-Regelungen fest­ge­legt werden.

Planungs­si­cher­heit und 3G bei Prüfungen

Die pande­mi­sche Lage macht es auch wieder nötig, auf alter­na­ti­ve Prüfungs­for­ma­te wie Fern­prü­fun­gen oder ande­re kontakt­lo­se Prüfungs­an­ge­bo­te umzu­stei­gen. Beson­ders für Prüfun­gen mit einer hohen Anzahl an Prüfungs­teil­neh­men­den oder für Perso­nen mit Beein­träch­ti­gun­gen oder in beson­de­ren Lebens­la­gen sind diese anzu­den­ken. Als LAK fordern wir deshalb womög­lich und didak­tisch sinn­voll eine Wahl­mög­lich­keit zu Fern­prü­fungs­an­ge­bo­ten oder kontakt­lo­sen Prüfungs­an­ge­bo­ten wie z.B. Haus­ar­bei­ten oder münd­li­che Prüfun­gen über eine Video­kon­fe­renz­platt­form anzu­bie­ten. Außer­dem müssen für eine flächen­de­cken­de Etablie­rung von orts­un­ge­bun­de­nen Fern­prü­fun­gen mehr Förder­mit­tel bereit­ge­stellt werden. Wie eine Prüfung letzt­end­lich ange­bo­ten wird, muss jedoch im Sinne der Plan­bar­keit recht­zei­tig bekannt sein und darf sich keines­falls kurz vor der Prüfung ändern, selbst bei etwa­iger Entspan­nung der Lage. Deswe­gen darf sich die Art der Prüfung spätes­tens 14 Tage vor der Prüfung nicht mehr ändern.

Weiter­hin muss sicher­ge­stellt werden, dass Präsenz­prü­fun­gen nicht zur weite­ren Ausbrei­tung der Coro­­na-Infek­­tio­­nen beitra­gen und alle Teil­neh­men­den inklu­si­ve der Aufsich­ten kein erhöh­tes Gesund­heits­ri­si­ko einge­hen. Präsenz­prü­fun­gen müssen dazu drin­gend unter eine 3G-Rege­­lung, besser 3G+, fallen. Durch eine solche Rege­lung wird niemand, der oder die zur Teil­nah­me berech­tigt ist, ausge­schlos­sen. Ein kosten­frei­er Schnell­test unter Aufsicht ist kein Hinder­nis und wer posi­tiv getes­tet wird, ist krank und kann die Prüfung wie bei ande­ren Erkran­kun­gen nach­ho­len. Im Sinne der Pande­mie­be­kämp­fung ist es absurd, auf einen Test zu verzich­ten, um eine Erkran­kung nicht zu entde­cken und denen, die mit Covid-19 infi­ziert sind, so eine Teil­nah­me zu ermög­li­chen. Für Infi­zier­te gibt es sinn­vol­le strik­te Quaran­­tä­­ne-Pflich­­ten, die nicht durch eine Prüfungs­si­tua­ti­on aufge­ho­ben werden können.

Ausbau psychi­sche Unterstützung

Neben den Folgen für den direk­ten Lehr­be­trieb wird den Studie­ren­den auch der sozia­le Raum genom­men. Mit dem Verspre­chen eines Präsenz­se­mes­ters wurden Studie­ren­de wieder an ihren Studi­en­ort geholt, von welchem sie jetzt kaum mehr profi­tie­ren können. Nach nur sechs Wochen haben vor allem Erstsemester*innen zu ihren Kommiliton*innen kaum stabi­le Bezie­hun­gen vor Ort bilden können. Viele Studie­ren­de werden also den Winter isoliert sein, durch verein­zel­te Präsen­z­an­ge­bo­te aller­dings auch an ihrem Stand­ort blei­ben müssen.

Zudem entsteht nun voll­ends eine Gene­ra­ti­on von Studie­ren­den, die nach vier Semes­tern Digi­ta­li­tät und einer Abschluss­ar­beit niemals wirk­lich an ihrem eigent­li­chen Stand­ort Fuß fassen konn­ten. Diese Art der Entwur­ze­lung und der Einsam­keit hinter­lässt Spuren. Die psychi­schen Folgen solcher Umstän­de müssen aufge­fan­gen werden. Daher müssen die psychi­schen und sozia­len Bera­tungs­an­ge­bo­te der Studie­ren­den­wer­ke und Hoch­schu­len ausge­baut und endlich ernst­haft vom Frei­staat finan­ziert werden. Hier­für braucht es sofort einen Sonder­fonds bis zum Ende der Auswir­kun­gen der Pande­mie auf die Hochschulen.

Star­ker Infek­ti­ons­schutz durch Impf­an­ge­bo­te und engma­schi­ge Kontrollen

Die bishe­ri­ge 3G-Rege­­lung wurde an Hoch­schu­len haupt­säch­lich stich­pro­ben­ar­tig kontrol­liert. Auch wenn die 2G-Rege­­lung auf dem Papier ein höhe­res Schutz­ni­veau für die Hoch­schul­mit­glie­der bedeu­tet, muss diese Rege­lung eben­falls auf Einhal­tung kontrol­liert werden. Durch das verstärk­te Infek­ti­ons­ge­sche­hen soll­ten die Stich­pro­ben wieder erhöht werden bzw. wo es möglich ist auf eine Voll­über­prü­fung der Hoch­schul­mit­glie­der gesetzt werden. Um hier einen adäqua­ten Schutz zu gewähr­leis­ten, muss auch der Frei­staat die Kosten für etwa­iges Perso­nal zur Verfü­gung stellen.

Vor dem Hinter­grund der nun mögli­chen Auffri­schungs­imp­fun­gen und der hohen Impf­be­reit­schaft der Studie­ren­den plädie­ren wir außer­dem für die Wieder­ein­füh­rung von nied­rig­schwel­li­gen Impf­an­ge­bo­ten für Studie­ren­de an den Hoch­schu­len, da die Impfung die einzi­ge wissen­schaft­lich erwie­se­ne Metho­de ist, um dauer­haft die Pande­mie zu besiegen.

Die hier darge­leg­ten Forde­run­gen, Regel­stu­di­en­zeit­ver­län­ge­rung, Erhö­hung der Prüfungs­ver­su­che und Frei­ver­suchs­re­ge­lung, sollen die Studie­ren­den unter­stüt­zen, die mit der aktu­el­len Situa­ti­on nicht zurecht­kom­men, aber auch die leis­tungs­star­ken Studie­ren­den nicht behin­dern, in ihrem ange­streb­ten Studi­en­fort­schritt weiter­zu­kom­men. Außer­dem braucht es finanz­star­ke Inves­ti­tio­nen, um die Hoch­schu­len und die Studie­ren­den sicher durch diese tiefe Krise zu führen. Die genann­ten Ausnah­men zu 2G sind zudem elemen­tar, um einen flächen­de­cken­den Studi­en­be­trieb aufrechtzuerhalten.

Posi­ti­on

Landes-ASten-Konfe­renz Bayern
c/o Studie­ren­den­ver­tre­tung der LMU
Leopold­stra­ße 15
80802 München