Beschluss vom 12.04.2020 in der geänderten Fassung vom 10.05.2020
Seit mehreren Wochen hat das Coronavirus Bayern und die ganze Welt fest im Griff. Besonders die Auswirkungen auf das öffentliche Leben fordern alle Menschen stark heraus. Auch die bayerischen Studierenden sind in besonderer Weise davon betroffen. Zurzeit werden viele Regelungen für das kommende Semester diskutiert und getroffen. Als LAK Bayern schließen wir uns dem öffentlichen Konsens an, keine weitere Semesterverschiebung oder gar ein ausfallendes Semester zu fordern. Stattdessen sprechen wir uns für ein besonderes Semester aus, das außerhalb der Regelstudienzeit stattfindet, dabei die Studierbarkeit berücksichtigt und demzufolge keinem Studierenden Nachteile durch die aktuelle Situation entstehen. Grundsatz ist hierbei der Aspekt der Freiwilligkeit. Dabei berücksichtigen wir die großen Herausforderungen, denen die Hochschulen und Dozierenden bezüglich der digitalen Lehre gegenüberstehen. Die enge Zusammenarbeit der Studierendenvertretungen mit ihren Hochschulen und sowie die enge Kooperation der hochschulpolitischen Verbände und Akteure auf Landesebene ist geforderter denn je. Studierende wie Dozierende sind zu größtmöglichem Engagement in dieser einzigartigen Krisensituation aufgerufen.
Soziale und finanzielle Herausforderungen
Rund zwei Drittel aller Studierenden sind neben dem Studium erwerbstätig. Viele von Ihnen, die auf einen Nebenverdienst angewiesen sind, sehen sich gerade mit Jobverlust und Verdienstausfall konfrontiert. Ein Antrag auf BAföG zum aktuellen Zeitpunkt hilft den Studierenden auch nicht weiter, da das Antragsverfahren komplex und zeitaufwendig ist und somit die Auszahlung der Gelder nicht zeitnah sichergestellt werden kann. Arbeitslosengeld ist für Studierende zudem ohnehin nicht vorgesehen und meist auch nur für diejenigen zugänglich, die schon einmal Vollzeit gearbeitet haben. Die finanziellen Belastungen sind deshalb für viele jetzt schon eine große Herausforderung. Wir fordern, dass die finanzielle Belastung durch die Corona-Pandemie nicht zum Nachteil für die Studierenden in diesem und in den kommenden Semestern ausfallen darf. Eine Lösung kann eine Soforthilfe für Studierende mit nachträglicher Prüfung der Bedürftigkeit sein, wie es in gleichnamiger Petition der LAK Bayern und weiteren Bündnispartnern bereits gefordert wird. Ein staatlicher Bund-Länder-Hilfsfond, so wie er vom Deutschen Studentenwerk vorgeschlagen wurde, ist aus unserer Sicht ebenfalls eine adäquate Lösung. Des Weiteren müssen aus unserer Sicht die Zahlungen von Stipendien und Studienkredite analog zum BAföG regulär ausgezahlt werden, auch wenn Studierende nicht an digitalen Lehrformaten teilnehmen können. Auch darf das Sommersemester nicht auf die Förderungshöchstdauer angerechnet werden. Arbeitsverträge von staatlichen Trägern für studentische Arbeitskräfte sollen regulär ohne Einbußen beim Lohn und analog zu regulär stattfindenden Semestern abgeschlossen werden. Die studentischen Arbeitskräfte sollen dabei, falls die angedachten Arbeiten nicht stattfinden können, mit anderen Aufgaben betraut werden.
Studierende, die auch in normalen Zeiten unter erschwerten Bedingungen studieren, werden von der Coronakrise besonders hart getroffen. Dies betrifft Studierende mit Kindern, deren Kindertagesstätte oder Schule geschlossen ist und für die damit ein Vollzeitstudium derzeit so gut wie nicht möglich. Auch Studierende, die sich in einer Pflegeverantwortung gegenüber ihren Angehörigen befinden oder aktuell gesellschaftliche Verantwortung durch die Mitarbeit in Kliniken oder Krankenhäusern übernehmen, sind besonders belastet. Insgesamt ist festzustellen, dass es in dieser Krise viele Faktoren gibt, die ein reguläres Semester für viele Studierende nicht möglich machen. Durch die Verschiebung des Beginns der Präsenzvorlesungen werden von einigen Studierenden die bereits gemieteten Wohnungen im Studienstandort bis auf Weiteres nicht benötigt. Auch durch die wegfallenden Verdienstmöglichkeiten sollten diese Kosten soweit es geht gesenkt werden. Wir fordern die Bayerischen Studentenwerke auf, bei den Mieten in studentischen Wohnheimen mögliche Wohngeld- bzw. andere staatliche Zuschüsse zu prüfen oder diese entsprechend zu senken.
Das Semester muss auf Freiwilligkeit und nicht auf Pflicht beruhen. Wir fordern daher, das Sommersemester 2020 nicht als Hochschul- oder Fachsemester zu zählen und es auch nicht auf die Regelstudienzeit anzurechnen.
Digitale Lehrangebote
Wir unterstützen die Bemühungen der bayerischen Hochschulen durch die Digitalisierung der Lehre auch im Sommersemester 2020 einen Studienbetrieb sicherzustellen. Dennoch zeigen sich bereits jetzt Diskrepanzen in der Ausgestaltung und Durchführung des digitalen Lehrangebots zwischen den einzelnen Hochschulen in Bayern. Die notwendige Kompetenz im Umgang mit Online-Lehre ist bei Studierenden als auch Dozierenden unterschiedlich stark ausgeprägt. Es wäre damit fahrlässig der Annahme zu verfallen, dass die Online-Lehre sofort alle Präsenzangebote hinsichtlich des zu vermittelnden Wissens sowie der erworbenen Kompetenzen vollständig ersetzen könne.
Um die Entwicklung von Online-Formaten in der Geschwindigkeit, die aktuell gefordert ist, voranzubringen, benötigen die Hochschulen ausreichend finanzielle Unterstützung durch den Freistaat Bayern. Zudem ist der Einsatz von E‑Scouts von speziell mediendidaktisch geschulten, studentischen Hilfskräften, die Dozierenden technisch sowie didaktisch bei der Erstellung von Online-Lehrformaten beraten, zu befürworten. Studierende können sich so entgeltlich in die Weiterentwicklung des digitalen Lehrangebots einbringen. Dies ist insbesondere für studentische Hilfskräfte sinnvoll, die aktuell aufgrund der Schließung der Hochschulgebäude nicht ihrer angestellten Tätigkeit nachkommen können.
Stehen Module im Sommersemester als Online-Angebote zur Verfügung muss es Studierenden ermöglicht werden, an diesen freiwillig teilzunehmen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Studierende über die benötigte Hardware sowie eine ausreichend gute Internetverbindung verfügen, um Online-Lehre im gebotenen Umfang wahrzunehmen. Dieses Defizit darf nicht zu Lasten einzelner Studierender fallen. Abgesehen von Online-Prüfungen sind, wo möglich, alternative Prüfungsformen wie Hausarbeiten, in Betracht zu ziehen. Hierbei muss sichergestellt werden, dass Studierende aufgrund von mangelnder technischer Ausstattung oder Zugang zu geeigneter Online-Lektüre keine Nachteile erfahren. Neben der Organisation der Online-Lehre im Sommersemester müssen auch die Auswirkungen der Coronakrise auf das kommende Wintersemester 20/21 beachtet werden. Hierbei sollten Voraussetzungen für Module, die die Belegung andere Veranstaltungen voraussetzen, gelockert werden. Es müssen Regelungen gefunden werden, die es den Studierenden ermöglichen im Wintersemester vollumfänglich am Studienangebot teilzunehmen.
Um krisenbedingten Einschränkungen in der Nutzung von synchronen Online-Angeboten entgegenzuwirken, empfehlen wir Vorlesungen auf den Lernplattformen der Hochschulen zur asynchronen Nutzung dauerhaft bereitzustellen. Neben technischen Hindernissen wie mangelnder Infrastruktur spielen auch zeitliche Faktoren eine große Rolle: Insbesondere Studierende mit Kindern, die aktuell keine Tagesbetreuung erhalten, sind an ihrem regulären Studium gehindert. Internationale Studierende, die sich aufgrund von Einreisebeschränkungen im Ausland aufhalten, werden dem Stundenplan je nach Zeitzone nur bedingt folgen können. Weiterhin stehen viele Studierende der HAWs, THs und Kunsthochschulen vor der Herausforderung, Vorwissen aus Lehrveranstaltungen der vorlesungsfreien Zeit nachholen zu müssen. Die dauerhafte Bereitstellung von Lehrinhalten ist aktuell mit geringerem Aufwand und Kosten verbunden, da ein Großteil der Lehrveranstaltungen im Sommersemester bereits digital abgehalten wird. Somit muss im Gegensatz zu den bisherigen Semestern nur noch die Speicherung und nicht mehr die Aufzeichnung bewerkstelligt werden. Im Sinne der Chancengleichheit aller Studierenden bitten wir das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst eine entsprechende Empfehlung an die Hochschulen auszusprechen, um digital gehaltene Lehrveranstaltungen während des Sommersemesters dauerhaft online verfügbar zu machen.
In Anbetracht der Verschiebung der Vorlesungszeit an HAWs und Kunsthochschulen hat das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst klargestellt, dass prüfungsrelevante Lehrveranstaltungen, die vor dem Vorlesungsbeginn zur Verfügung gestellt werden, auch nach dem Vorlesungsbeginn am 20.04. weiterhin verfügbar sein müssen bzw. nochmals angeboten werden. Dieser Grundsatz der Chancengleichheit wurde an einigen Hochschulen ignoriert: Studierende wurden aufgefordert, den in der vorlesungsfreien Zeit angebotenen Online-Lehrstoff in Eigenregie und ohne Vorbereitungszeit bis zum Beginn der Vorlesungszeit nachzuholen. Wir fordern das Ministerium auf, diese Ungleichbehandlung von Studierenden zu beenden und im Sinne der Studierbarkeit auf den einheitlichen Vorlesungsbeginn am 20.04. zu verweisen, damit Studierenden, die erst mit dem regulären Vorlesungsbeginn auf Lehrveranstaltungen zugreifen können, keine Nachteile entstehen.
Chancengleichheit bei Prüfungen
Die von Herrn Staatsminister Sibler in seinem Schreiben vom 03.04.2020 angekündigten Regelungen hinsichtlich der Verschiebung von Fachsemester- oder Regelstudienzeit gebundenen Fristen begrüßen wir ausdrücklich. Wir fordern, dass alle anstehenden Prüfungsfristen im entsprechenden Umfang verlängert werden. Dies schließt auch Abschlussarbeiten ein, die im Sommersemester 2020 angemeldet wurden.
Es ist uns wichtig, den Aspekt der Freiwilligkeit als zentrale Säule der Ausgestaltung des Sommersemester 2020 zu betonen. Der Grundgedanke der Freiwilligkeit berücksichtigt die besonderen Umstände im Sommersemester, um Chancengleichheit und Fairness wahren zu können. Konkret bedeutet dies, dass die Studierenden im Sommersemester ECTS-Punkte erwerben können sollen, es aber aufgrund der im Vergleich zum vorherigen Semester fundamental anderen Rahmenbedingungen eine bayernweit einheitliche Freiversuchsregelung geben muss: Fehlversuche sollen nicht gewertet und bestandene Prüfungen zur Notenverbesserung wiederholt werden können. Wir erwarten, dass die kulante Ausgestaltung der prüfungsrechtlichen Rahmenbedingungen sowohl Rücksicht auf die individuellen Belastungssituationen der Studierenden nimmt als auch grundsätzlich die Akzeptanz, für die im Sommersemester 2020 angebotene Online Lehre erhöht. Auch Prüfungen, die außerhalb der Hochschule zentral durch die zuständigen Behörden gestellt werden wie die Staatsexamina für LehrerInnen, JuristInnen und MedizinerInnen müssen in diesem Semester auf freiwilliger Basis angeboten werden.
Für den Fall, dass im Sommersemester zu keinem Zeitpunkt Präsenzveranstaltungen möglich sind, müssen alternative Prüfungsformen entwickelt werden. Sogenannte Proctored-Exams oder Online Prüfungen stellen eine Möglichkeit zur Wissensabfrage in digitaler Form dar, die bereits jetzt hochschulrechtlich in Bayern möglich ist. Grundsätzlich begrüßen wir diese Prüfungsform, wobei die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen, eine aussagekräftige Legitimitätsprüfung sowie die notwendige Stabilität der verwendeten Plattform gewährleistet sein müssen. Damit ein Online-Prüfungssystem zeitnah einsatzbereit ist, fordern wir alle Hochschulen zu einer engen Abstimmung und einem gemeinsamen Austausch über die verwendeten Systeme auf, damit bereits vorhandene Best-Practices-Lösungen möglichst effizient genutzt werden können. Ab dem Zeitpunkt, an dem Präsenzprüfungen an den Hochschulen wieder möglich sind, sollen die erworbenen Fähigkeiten der Hochschulen im Einsatz von Online-Prüfungen ergänzend zur klassischen Präsenzprüfung weiter Anwendung finden. Eine vollständige dauerhafte Umstellung aller Prüfungen auf Online-Formate sehen wir kritisch.
Flexible Praxissemestergestaltung
Viele Studierende der Hochschulen für angewandte Wissenschaften befinden sich gerade in ihrem Praxissemester oder wollen dieses im nächsten Semester antreten. Falls Studierende nicht weiter beschäftigt werden und aktuell auch keine neue Praxisstelle finden, sehen wir eine Anerkennung von bereits vorhandener Praxiserfahrung wie eine fachnahe Ausbildung oder vorangegangene Praktika als adäquate Lösung an. Hierzu müssen die Regelungen im Artikel 63 im Bayerischen Hochschulgesetz kulant und weitreichend angewendet werden. Sollten keine praktischen Vorerfahrungen nachgewiesen werden können, fordern wir die Hochschulen dazu auf, die Möglichkeit zu schaffen, das Praktikum zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen und damit den weiteren Studienfortschritt zu ermöglichen. Zusätzlich fordern wir die Hochschulen auf zu evaluieren, ob sie bei einem regionalen Mangel an Praxissemesterplätzen eigene Angebote schafft, die es den Studierenden ermöglichen, die geforderten Leistungen durch Mitarbeit im Forschungs- oder Entwicklungsbetrieb in Einrichtungen der jeweiligen Hochschule zu erbringen.
Position
Landes-ASten-Konferenz Bayern
c/o Studierendenvertretung der LMU
Leopoldstraße 15
80802 München